LOKALMIX

„Die Käfer sind schneller als wir“

lw; 30.07.2020, 09:00 Uhr
Fotos: Lothar Selbach (1), Lars Weber (2-3) --- Wie anderorts auch haben sich in Reichshof Waldbesitzer Unterstützung geholt: Seit Wochen sind dort Forstleute aus Estland mit ihren Erntemaschinen im Einsatz.
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„Die Käfer sind schneller als wir“

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lw; 30.07.2020, 09:00 Uhr
Oberberg – Ältere Fichten werden das Ende des Jahres nicht mehr erleben – Viele tote und kranke Bäume bleiben im Wald – Kapazitäten für Einschlag und Abtransport ausgereizt.

Von Lars Weber

 

Eigentlich sei das Thema Borkenkäfer durch, sagt Dr. Mathias Niesar, stellvertretender Leiter des Regionalforstamts Bergisches Land von Wald und Holz NRW.  Natürlich meint der Experte aber nicht damit, dass der Schädling nicht mehr existent ist in den oberbergischen Wäldern. Im Gegenteil. Die Menge an befallenen Fichten bleibt auf hohem Niveau, eine dritte Käfergeneration wird kommen. „Bis zum Ende des Jahres werden sämtliche Fichten abgestorben sein, die älter sind als 50 bis 60 Jahre.“ Bis Ende 2019 gab es im Gebiet des Regionalforstamts Bergisches Land rund neun Millionen Kubikmeter lebende Holzvorräte bei den Fichten. Das größte Problem neben der trockenen Witterung: Das Regionalforstamt und die Waldbesitzer bekommen das Holz einfach nicht schnell genug aus dem Wald.

 

Im Moment können aufmerksame Spaziergänger und Autofahrer allerorts im Kreis beobachten, wie viele abgestorbene Bäume in den Wäldern eingeschlagen und abtransportiert werden. Viele Stellen, wo einst Fichten Schatten spendeten, sind nun leer und sehen fast aus wie ein Kriegsschauplatz. Dazu kommen noch die Dürrständer, also jene abgestorbenen Fichtengruppen, die mit ihrer grau-rötlichen Färbung aus dem Grün herausstechen. „Da sind die Käfer längst wieder raus. Es ist gar nicht möglich, alle Bäume aufzuarbeiten“, so Niesar. Deshalb hätten jene Bäume Vorrang, wo es um die Verkehrssicherung geht, sagt Hans-Friedrich Hardt, Vorstandsmitglied des Waldbauernverbands NRW aus Hückeswagen. „Die Käfer sind schneller als wir.“

 

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Allein im ersten Halbjahr 2020 seien laut Niesar 1,3 Millionen Festmeter an Käferholz und Dürrständer auf dem Areal des Regionalforstamts Bergisches Land angefallen. Im gesamten Jahr könne sich aber nur um 400.000 bis 500.000 Festmeter gekümmert werden, für mehr reichen die Kapazitäten beim Abtransport und auf dem Holzmarkt einfach nicht. Auch deshalb hat die Forstgewerkschaft IG BAU zusätzliches Forstpersonal gefordert. Nur mit mehr Fachleuten könnten die Wälder für den Klimawandel gewappnet werden, so die Forstgewerkschaft. Landesweit 20 neue, befristete Stellen reichten aber längst nicht aus, heißt es in einer Mitteilung.

 

„Das Oberbergische ist ein Hotspot für Borkenkäfer“, sagt Hardt, die Lage der Waldbesitzer katastrophal angesichts der Holzpreise. Bei der Vermarktung von frischen Fichtenholz könnten die Waldbesitzer gerade so die schwarze Null halten. Viel Holz wird nach China gebracht. Mit dem Einschlag müssten sie häufig Wochen oder Monate warten, bis die überlasteten Unternehmer dem Auftrag nachkommen können. Der Verlust der rund 10.000 Privatbesitzer im Oberbergischen wurde noch Ende vergangenen Jahres auf rund 25 Millionen Euro beziffert.

 

[Die Dürrständer prägen mittlerweile das Gesicht des oberbergischen Waldes mit.]

 

Gerade der Waldbrand im Frühjahr auf dem Hömericher Kopf hat gezeigt, dass das tote Holz auch als Brandbeschleuniger wirkt. Auch darum, und um die Wälder klimastabiler zu machen, wurden unlängst weitere finanzielle Hilfen vom Land angekündigt. So gibt es pro Festmeter befallenes Holz 8 € Förderung, für Dürrständer-Holz immerhin 5 €. Zudem suchten die Verbände immer wieder den Kontakt zum Land. Sie versuchen zu erreichen, dass die Waldbesitzer bei Verkehrssicherungsarbeiten die Kosten für das Sperren der Straße nicht übernehmen müssen, so Hardt, um für finanzielle Entlastung zu sorgen.

 

[Hans-Friedrich Hardt, Vorstandsmitglied im Waldbauernverband NRW.]

 

Insgesamt stehen im Jahr 2020 vom Land NRW rund 57,5 Millionen Euro zur Unterstützung der Forst- und Holzwirtschaft bereit. Zur Unterstützung der Wiederbewaldung hat die Landesregierung bereits beschlossen, in den nächsten zehn Jahren insgesamt 100 Millionen Euro bereitzustellen. Dabei werde laut Niesar und Hardt die Natur dem Menschen oft zuvorkommen, weil die Menge der Freiflächen zu groß ist. Sogenannte Pionierbaumarten, die Freiflächen besiedeln, werden häufig schon wachsen, bevor „Wunschbaumarten“ für einen klimastabilen Wald wie Traubeneiche, Esskastanie, Robinie oder auch Douglasie gepflanzt werden können. Zu den Pionierbaumarten gehören beispielsweise die Hänge-Birke, die Salweide oder die Esche. Einfach nur zuschauen ist aber keine Option, sagt Hardt. „Wo nur Fichte stand, würden auch viele Fichten nachwachsen.“

KOMMENTARE

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Man sollte der Natur freien Lauf lassen, die regelt das schon. Die Subventionen sind rausgeschmissenes Geld. Und wirkliche Verluste erleidet ja auch keiner. Die Kosten kommen rein. Ein Sparbuch ist auch nicht besser. Also was soll das Gejammer.

Brüggelmann, 01.08.2020, 16:43 Uhr
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